I. Andantino

II. Andantino grazioso

III. Presto

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AUFFÜHRUNGSDAUER: ca. 7 Min.

VERLAG: Belmont Music Publishers

Anlässlich Schönbergs 50. Geburtstages (1924) schrieb dessen Jugendfreund David Josef Bach über die gemeinsam verbrachte Zeit: »Schönberg war, um es einmal zu sagen, entschlossener ›Brahmine‹. Ihm, seiner Anfeuerung, Begeisterung, Erläuterung, verdanke ich mehr als die Kenntnis Brahmsscher Kammermusik in jungen Jahren, ihm verdanke ich wie die anderen unseres Kreises das liebevolle Verständnis dieser Musik. [...] Ich meine auch heute noch, daß der strenge Formwille eines Brahms auf Schönberg den stärksten Einfluß übte; und wenn Schönberg allen Moden und Richtungen zum Trotz ein wahrhaft ›absoluter‹ Musiker geblieben ist, so liegt für mein Gefühl auch hierin Wahlverwandtschaft. [...] Klavierstücke aus 1895 [sic] zeigen deutlich den Brahmsschen Einfluß«. Brahms' Klaviersatz, mit dem der junge Schönberg bestens vertraut war, ist durch ein dichtes und feines Gewebe der motivischen Entwicklung charakterisiert, wobei die scheinbar nebensächlichsten Figurationen mit einbezogen werden; im Detail lassen sich die Terz- und Sextgänge, die weite Lage der Klänge mit Hang zum tiefen Register sowie die eigenwillige, Synkopen- und Triolenbildungen bevorzugende Rhythmik hervorheben. Schönberg beschränkte sich nicht auf eine äußerliche Nachahmung von Brahms' Stil, sondern war bestrebt, dessen innere, substantielle Merkmale für seine eigenen Kompositionen nutzbar zu machen. Dies zeigt sich besonders am letzten der »Drei Klavierstücke«, welches als längstes den gewichtigsten Platz innerhalb der Trias einnimmt. Während die ersten beiden Stücke am lyrischen Ton ihres Beginnes festhalten, offenbart das dreiteilig angelegte »Presto« eine Vielfalt des musikalischen Ausdrucks. Seine Bewunderung für Brahms' Musik brachte Schönberg später auf die Formel »Ökonomie und dennoch: Reichtum«, - diesem Ideal folgte er im dritten seiner frühen Klavierstücke. So greift etwa dessen Mittelteil (»Più lento«) in der Begleitung der Oberstimmenmelodie auf das chromatische Motiv der Anfangstakte zurück, wobei die als zweites Thema fungierende Melodie ihrerseits aus den Überleitungstakten zwischen den Teilen abgeleitet ist: Durch diese motivische Detailarbeit bewirkte Schönberg eine Verklammerung der – in ihrem Ausdrucksgehalt kontrastierenden – Formteile. Etwas weniger deutlich sind diese Bestrebungen auch im ersten Stück (»Andantino«) zu bemerken. Es ist vor allem durch seine merkwürdige rhythmische Gestaltung geprägt: Notiert ist ein 2/4-Takt, real erklingt allerdings ein 6/8-Takt. Aus diesem Spannungsverhältnis heraus lebt der Satz, was sich besonders im durchführungsartigen Mittelteil zeigt, in dem der im ersten Teil noch latente Gegensatz nun offen hervortritt. Das zweite Stück (»Andantino grazioso«) bewegt sich hingegen in einem oberstimmenbetonten und konventionell modulierenden Rahmen und hält an dem einmal gefundenen, anmutigen Tonfall fest.

Iris Pfeiffer
© Arnold Schönberg Center